Die Auseinandersetzung mit der eigenen Laufbahn braucht Zeit. Musse, Reflexion und strategisches Vorgehen tragen zur erfolgreichen Stellensuche bei. Sich bewerben ist ein Handwerk, sagt Caroline Schultheiss, Laufbahn- und Karriereberaterin beim Kaufmännischen Verband Zürich.

Caroline Schultheiss begleitet Ratsuchende bei Karrierefragen, führt Standortbestimmungen durch und unterstützt im Bewerbungsprozess. Hierbei geht es häufig um Strategien. Wie geht man bei der Stellensuche sinnvoll vor? Worauf muss man unbedingt achten? Was funktioniert nicht? Laut Caroline sind insbesondere Lehrabgänger:innen unsicher, weil sie wenig Erfahrung mitbringen. Der Druck, nach der Lehre eine Stelle zu finden, ist nicht zu unterschätzen. Dabei ist der Zeitpunkt, sich zu bewerben, alles andere als ideal. Die jungen Menschen sind mit dem Qualifikationsverfahren beschäftigt und haben kaum Zeit, sich mit Laufbahnfragen auseinanderzusetzen.

Sich in Geduld üben

Die Beraterin stellt bei vielen jungen Menschen ein Überstürzen, auch eine Ungeduld fest. Sie wollen zu viel aufs Mal, würden sich zu wenig Zeit lassen, um ihre Laufbahnplanung mit der notwendigen Ruhe anzugehen. «Sie haben das Gefühl, sie müssten mit 24 die entscheidenden Weiterbildungen und beruflichen Stationen hinter sich haben». Das entspricht natürlich nicht der Realität und ist auch nicht möglich. Die Auseinandersetzung mit Laufbahnfragen braucht Zeit. Auch die Berufswahl nach der Grundbildung ist nicht Sache eines schnellen Entscheids, sondern ein Prozess, der sich über Monate und Jahre erstreckt. Nur wenige wissen «einfach so», was sie wollen. Heute lastet ein starker Effizienzdruck auf vielen jungen Menschen. Sie wollen ihre Ziele möglichst schnell erreichen, sind sich aber nicht bewusst, dass das Konzept des lebenslangen Lernens ihrer Einstellung und ihrem Verhalten fundamental widerspricht.

Stimmige Strategie

In ihren Beratungen versucht Caroline Schultheiss gemeinsam mit den Klient:innen Laufbahn- und Bewerbungsstrategien zu erarbeiten. Strategien seien nicht grundsätzlich gut oder schlecht, wichtig sei, dass eine Strategie für eine Person stimmig ist. Einige bewerben sich auf ganz viele Stellen, die sie ansprechen. Andere gehen gezielt vor. Ganz egal welche Strategie verfolgt werde, wichtig sei immer die Qualität einer Bewerbung.

Deshalb…

Es hat keinen Sinn, unzählige mangelhafte Dossiers zu verschicken, einfach damit man sich möglichst oft beworben hat. Die Bewerbungen müssen auf die ausgeschriebenen Stellen zugeschnitten sein. Standardbewerbungen, allgemeine Motivationsschreiben und wenig aussagekräftige CVs führen nicht zum Erfolg.

Die Stellensuchenden müssen sich mit dem künftigen Arbeitgeber auseinandersetzen und sollten in ihrer Bewerbung aufzeigen, welche Weiterbildungen, Erfahrungen und Kompetenzen sie für einen Job qualifizieren und welche Motivation sie antreibt. Standardphrasen haben in einer Bewerbung nichts zu suchen. «Ich bin zielstrebig, lösungsorientiert und kommunikativ», sagt wenig aus.

Caroline Schultheiss beobachtet bei einigen jungen Menschen ein starkes Sicherheitsbedürfnis.

Bewusster Weiterbildungsentscheid

«Etwas Mut zum Risiko zahlt sich meist aus. Etwa eine Weiterbildung absolvieren und dann schauen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.»

Caroline Schultheiss, Laufbahn- und Karriereberaterin

Eine Frage, die viele – vor allem junge – Menschen beschäftigt: Soll man zuerst eine Weiterbildung absolvieren und sich erst dann auf eine Wunschstelle bewerben oder umgekehrt? Auch hier gibt es nicht einfach eine richtige Antwort. Viele Jobs setzen eine Weiterbildung voraus. Wer Glück hat, findet die Traumstelle möglicherweise schon vorher und kann sich berufsbegleitend weiterbilden. Das hängt auch vom Arbeitgeber ab.

Die Lehrabgänger-Umfrage des Kaufmännischen Verbands zeigt, dass die Weiterbildungsbereitschaft sehr hoch ist. «Man sollte sich bewusst für einen Lehrgang oder ein Studium entscheiden», sagt Caroline Schultheiss. Dies bedingt, dass man mit Bildungssystem und Laufbahnmöglichkeiten vertraut ist.

Fragen zum Weiterbildungsentscheid

  • Welche Ausbildungen an Höheren Fachschulen und Fachhochschulen gibt es? Worin unterscheiden sie sich? Welches sind Zulassungsvoraussetzungen?
  • Brauche ich für den nächsten Karriereschritt wirklich eine Berufsmaturität oder genügt auch ein Abschluss der höheren Berufsbildung?
  • Welche Weiterbildungen brauche ich für einen Branchenwechsel?

«Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Ratsuchenden über unser Bildungssystem wissen.»

Caroline Schultheiss, Laufbahn- und Karriereberaterin

3 Tipps für die Bewerbungsplanung

Es lohnt sich, das Schweizer Bildungssystem zu kennen und Zeit in die Recherche von Weiterbilungsmöglichkeiten zu investieren. Erst wenn man diese kennt, eröffnen sich neue Szenarien.

LinkedIn-Profile sollten gepflegt werden. Abhängig von Branche, Funktion und Spezialisierung haben sie für den Bewerbungsprozess unterschiedliche Relevanz, werden aber je länger je wichtiger.

Mit Vertrauenspersonen in Verbindung zu bleiben, kann Türen öffnen.

Weshalb nicht einen Berufsbildner oder eine ehemalige Abteilungsleiterin kontaktieren und um Rat fragen? Im Gespräch erhält man eine Aussensicht und kommt möglicherweise auf neue Ideen.


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Autor

Rolf Murbach, Redaktor «Context», ehemaliges Mitgliedermagazin kfmv Schweiz

Text in voller Länge erschienen im «Context Nr. 4 – 2021» vom 19. August 2021