Die umstrittene KV-Reform wurde um ein Jahr auf 2023 verschoben. Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich, weiss, warum die Debatte so emotional geführt wird – und erklärt, was nun wichtig ist, damit die Umsetzung gelingt.

Die Rahmenbedingungen der KV-Reform stehen. Dazu gibt es kritische Stimmen von unterschiedlichen Seiten. Wie gelingt die Umsetzung per 2023 trotzdem?

Damit Rechtssicherheit besteht und die Schulen planen können, braucht es zügig den Erlass der Ausbildungsgrundlagen. Die Reform hat grosse Auswirkungen auf die Schulorganisation. Deshalb muss die Umsetzung jetzt starten können. Je früher die Lehrpersonen ins Boot geholt werden, desto besser. So können wir bald mit der Organisation der Weiterbildung beginnen. Im Kanton Zürich haben die betroffenen Schulen bereits nach den Sommerferien mit der Umsetzung begonnen.

«Ich bin zuversichtlich, dass die KV-Lehre nach der Umsetzung der Reform ihre grosse Akzeptanz und Attraktivität behält.»

Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt Kanton Zürich

Wenn Sie etwas aus den komplexen Diskussionen rückgängig machen könnten, was wäre dies?

Die Kommunikation dieser Reform war und ist auch künftig eine grosse Herausforderung. Die zeitlich konzentriert laufenden Umsetzungsarbeiten auf nationaler Ebene führten dazu, dass viele Akteure einen unterschiedlichen Informationsstand aufwiesen. Bis heute wird behauptet, dass in der kaufmännischen Grundbildung nur eine Fremdsprache gelernt würde, obschon im Mai eine Anhörung zum Sprachenkonzept mit zwei Fremdsprachen lief. Die vereinzelten persönlichen Angriffe auf Exponent:innen der Reform sowie die partiell einseitige und fehlerhafte Berichterstattung der Medien würde ich gerne rückgängig machen.

Das KV ist nicht die einzige Lehre, die eine Reform erfährt. Wieso ist die Debatte um das KV derart vehement?

Die kaufmännische Grundbildung und die Grundbildung des Detailhandels sind die beiden letzten, aber auch die beiden grössten Berufsfelder der Schweiz, die auf Handlungs-kompetenzorientierung umstellen. Eine solche Veränderung bedeutet hohe Kosten für die Kantone.

Diese Umstellung des Unterrichts bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Lehrpersonen und die Schulen.

Der Anteil der Absolvierenden, die neben der Arbeitsmarktfähigkeit auch die Studierfähigkeit anstreben ‒ Stichwort Berufsmaturität ‒ ist sehr gross.

Zuletzt ist «das KV» seit Jahrzehnten die beliebteste berufliche Grundbildung der Schweiz. Entsprechend viele haben diese Ausbildung selbst absolviert. Das weckt Erinnerungen ‒ und Emotionen!

Welches sind Ihre wichtigsten schulischen Anliegen?

Dass die Schulen die Umsetzung gut meistern können und die Umstellung auf die Handlungskompetenzorientierung gelingt. Dazu braucht es die Lehrpersonen, auch die kritischen. Bei der ganzen Diskussion um die Schulen dürfen die Lehrbetriebe nicht vergessen gehen. Sie sind das Gerüst unserer Berufsbildung. Da sie bereits handlungsorientiert ausbilden, ist die Umstellung für sie weniger tiefgreifend. Die teilweise fehlerhafte Berichterstattung aber hat zu Unsicherheiten geführt. Deshalb sind fundierte Informationen und Unterstützung elementar.

Wie wichtig sind grosse Schulen wie die Wirtschaftsschule KV Zürich für den aktuellen Prozess?

Die Wirtschaftsschule KV Zürich ist die mit Abstand grösste KV-Schule der Schweiz. Durch ihre Lage im Wirtschaftszentrum der Schweiz muss sie Ansprüche verschiedenster Branchen befriedigen können. Diese Anforderungen stellen sich auch im Rahmen der Reform beim Fremdsprachenangebot, bei alternativen Schulmodellen oder bei speziellen Anliegen der Banken. Neben neuer Bildungsverordnung und neuem Bildungsplan gibt es weiterhin Spielraum, den es für diese branchenspezifi-schen Ansprüche auch zu nutzen gilt.

Mit welchen Erwartungen starten Sie in die letzte Etappe?

Dass alle Akteure am gleichen Strick ziehen, sobald die Rechtsgrundlagen erlassen sind. Es wäre verheerend für die Reform, wenn dann noch Grundsatzdiskussionen geführt würden. Ich bin zuversichtlich, dass die KV-Lehre nach der Reform ihre grosse Akzeptanz und Attraktivität behält. Und deswegen auch viele neue Betriebe eine entsprechende Ausbildung anbieten. Aufgrund des Bevölkerungswachstums sind wir auf neue Lehrstellen angewiesen.

Wird die KV-Lehre in zehn Jahren noch die Strahlkraft einer Universallehre haben?

Die KV-Lehre ist eine fundierte Grundbildung, welche als Basis diverser Karriereverläufe dient. Ob und wie sie die Rolle der Universallehre behält, hängt davon ab, wie sie diese Reform meistert und wie sie mit den Herausforderungen der Digitalisierung umgeht.

Das Gespräch führte
AMALIA ZURKIRCHEN, Geschäftsführerin Kaufmännischer Verband Zürich