«Am Ende des Tages in jemandes Leben einen Unterschied machen – das ist es, was ich in meinem Job will.» Und so entschied sich Lisa Mouwen einige Jahre nach der KV-Lehre dem Büro den Rücken zu kehren und eine Ausbildung zur Physiotherapeutin zu beginnen. Mittlerweile ist sie im letzten Studienjahr und sieht sich den Herausforderungen einer Ausbildung unter Coronabedingungen gegenüber. Statt im Homeoffice, arbeitet sie unter anderem auf der Corona-Station eines Zürcher Krankenhauses.

«Etwas mit Menschen». Das hat sich Lisa Mouwen, damals 15-jährig, bei der Berufswahl in den Kopf gesetzt. Spontan kämen mir da wohl ein Dutzend andere Berufe in den Sinn als Kauffrau EFZ. Aber sie wollte – wie bereits ihr älterer Bruder – die KV-Lehre auf einer Gemeindeverwaltung absolvieren. Am Schalter der Einwohnerkontrolle konnte sie ihre ersten Erfahrungen im Umgang mit Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen sammeln. Nach dem erfolgreichen Abschluss der KV-Lehre mit Berufsmaturität (M-Profil) und einer temporären Weiterbeschäftigung im Lehrbetrieb, zog es sie ins Ausland. Sie verbrachte einen dreimonatigen Sprachaufenthalt in Edinburgh und kehrte danach für kurze Zeit auf eine Gemeindeverwaltung zurück.

Der Wunsch nach einer Arbeit mit Menschen veranlasste die mittlerweile 20-Jährige dazu, sich in Richtung Personal zu spezialisieren. Sie trat eine Stelle als Personalassistentin beim Volksschulamt des Kantons Zürich an und bildete sich parallel zur HR-Assistentin weiter. Nebenbei führte sie – KV-Ausbildung sei Dank – die Buchhaltung der Physiotherapie Praxis ihrer Eltern. Dieser kleine Nebenjob war dann auch ausschlaggebend dafür, dass sie sich für einen beruflichen Richtungswechsel entschied. «Die Art und Weise, wie meine Eltern mit ihrer Arbeit für andere Menschen direkt etwas tun konnten, faszinierte mich.» Nach und nach wurde ihr klar: «Das ist es, was auch ich will.» Und so packte sie die neue Herausforderung an.

Plötzlich Studentin

Nach einer schriftlichen Aufnahmeprüfung folgten ein Interview zur Eignungsabklärung, sowie eine praktische Aufnahmeprüfung. Lisa meisterte das Zulassungsverfahren und war – nach einem Vorpraktikum im Pflegebereich – eine von 126 Studierenden, die 2017 ihre Ausbildung an der ZHaW starteten.

Die ersten 1.5 Jahre waren für die praxisorientierte Lisa vergleichsweise hart. Ausschliesslich Studium, lange Lernphasen und etliche theoretische Prüfungen. War diese Hürde einmal genommen, wechselten sich Praktikumsblöcke in den verschiedensten Institutionen (Spitäler, Reha-Kliniken, Alters- und Pflegeheime) mit Schulblöcken ab.

Und dann kam Corona…

…ausgerechnet während eines Studienblocks. Für Lisa zeigten sich schon bald die Grenzen des Online-Unterrichts. «Eine Behandlung am Patienten per Video lernen? Sehr speziell.» Nach der ersten Corona-Welle im Frühling hätten eigentlich praktische Abschlussprüfungen stattfinden sollen. Der grösste Teil wurde pandemiebedingt zu schriftlichen Prüfungen umfunktioniert. Der theoretische Teil des Studiums war damit geschafft.

Menschen, Geschichten Herausforderungen

Aktuell absolviert Lisa ein 5-monatiges Praktikum in einem grossen Zürcher Spital. Sie liebt die Arbeit und schätzt es, dass jeder Tag anders ist. «Es wird niemals langweilig, man weiss nie was einen erwartet und es kommt immer etwas Neues. Jeder Tag ist nicht nur fachlich, sondern auch persönlich eine Herausforderung. Man stellt sich immer wieder auf neue Menschen ein und trotz ernstem Umfeld ergeben sich durchaus auch schöne oder fast schon komödienreife Situationen.» Diese sind es denn auch, die ihr immer wieder aufs Neue zeigen, dass ihr Berufswechsel richtig war.

Praktikum unter Pandemiebedingungen

Ein ganz normales Praktikum, wie es das vor der Pandemie gewesen wäre, ist es allerdings nicht. Neben der Arbeit auf ihrer Hauptabteilung kümmert sie sich auch um Patientinnen und Patienten der Corona-Station. Die Stimmung im Team ist mittlerweile zwar etwas angespannter, Angst sich zu infizieren hat sie aber nicht. Mit Schutzanzug, FFP-2-Maske, Brille und Handschuhen ausgerüstet, sei sie dort wohl besser geschützt als die meisten Menschen, die mit Corona-Infizierten in Kontakt kämen. «Da man um die Infektion weiss, kann man sich entsprechend verhalten und schützen.» Sie schätzt diese Erfahrung als sehr wertvoll und empfindet es als Bereicherung, während einer Pandemie dort helfen zu können, wo Hilfe gebraucht wird.

Von geregelter Arbeitszeit, fairer Entlöhnung und Homeoffice-Vorteil

Fehlt da nicht manchmal die Zeit im Büro doch etwas? Nicht grundsätzlich, aber einige Aspekte davon: «Als Physiotherapeutin bist du praktisch den ganzen Tag alleine bei den Patienten unterwegs – das Teamgefühl bleibt deshalb etwas auf der Strecke. Durch die Pandemie hat sich aber gerade beim Gesundheitspersonal ein starkes «Wir-Gefühl» entwickelt.» Und noch etwas fehlt: Geregelte Arbeitszeiten. «In Gesundheitsberufen zählt nur die Zeit am Patienten. Jene fürs Umziehen, die Vorbereitung etc. geht zu Lasten des Arbeitnehmers.» Das und die gerechte Entlöhnung des Gesundheitspersonals beschäftigen sie. Deshalb wieder zurück in einen kaufmännischen Beruf zu wechseln, kommt für die «Noch-Studentin» aber nicht in Frage. «Ich könnte mir allerdings durchaus vorstellen, teilweise im Büro und teilweise als Physiotherapeutin zu arbeiten. Gerade jetzt im Spital wäre ich einem Homeoffice-Tag nicht immer abgeneigt», lacht sie.

Und die Zukunft?

Konkrete Pläne hegt Lisa nicht. Aufgrund der Pandemie fällt das für 2021 geplante Auslandsemester in den Niederlanden weg. Nun konzentriert sie sich darauf, nächsten Sommer das Studium erfolgreich abzuschliessen. Die Praxis der Eltern zu übernehmen ist für sie ebenfalls (noch) kein Thema. «Ich möchte möglichst breite Erfahrungen sammeln. Fifty-Fifty in einem Spital und in einer Praxis zu arbeiten, stelle ich mir als idealen Ausgleich vor.» Ein Ziel aber hat sie bereits erreicht: Der Mensch steht im Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit. Also zum Traumberuf auf Umwegen? «Keineswegs», findet sie. «Die Erlebnisse, Erfahrungen und das Gelernte während der Lehre kommen mir bis heute sowohl im persönlichen Alltag, als auch beruflich zu Gute – das perfekte Fundament eben.»


Zur Person

Lisa Mouwen ist 26 Jahre alt und im 4. Studienjahr zur Physiotherapeutin. Ihre berufliche Laufbahn hat sie mit einer KV-Lehre auf einer Gemeindeverwaltung begonnen. Der Berufswechsel war ein Herzensentscheid, der sich dank dualem Bildungssystem und generalistischer Grundbildung gut realisieren liess.


Nächster Halt: Berufswechsel?

Sie spielen mit dem Gedanken, ihren Beruf zu wechseln und eine völlig neue Richtung einzuschlagen. Unsere Laufbahn- und Karriereexpertinnen unterstützen Sie gerne bei diesem Schritt.

Hier geht’s zur Laufbahn- und Karriereberatung