Die Referentinnen und Referenten der GDI-Impulstagung „Leistungsgesellschaft total – oder am Limit?“, organisiert von den Kaufmännischen Verbänden Zürich und Bern, gaben interessante Impulse und Denkanstösse. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der verschiedenen Ansätze, dank denen wir trotz omnipräsenter Beschleunigung und den gestiegenen Anforderungen durch die Digitalisierung nicht aus dem Gleichgewicht geraten. 

Gregor Hasler, Chefarzt und Professor für Psychiatrie an der Universität Fribourg, forscht über Depressionen und Stress und zeigte in seinem Referat Überraschendes auf: Aufgrund materieller Sicherheit, flächendeckendem Bildungsangebot, kürzerer Arbeitszeit und stabiler Politik zeigt das Barometer der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) stetig nach unten.

Vor 10 000 Jahren unternahmen die Menschen mit der Entwicklung der Landwirtschaft die ersten Schritte Richtung Leistungsgesellschaft. Diese Zeitspanne habe unserem Gehirn nicht gereicht, sich anzupassen. Stress und Depressionen könnten die Folge davon sein.

Um die eigene Resilienz zu stärken, führte er folgende Punkte auf:  

  • Selbst-Wirksamkeit (Erfahrungen, dass man etwas bewirken kann)
  • Selbst-Verantwortung (das Leben in die Hand nehmen, sich nicht beklagen, handeln)
  • Selbst-Akzeptanz (nicht zu perfektionistisch sein – bei sich und bei anderen)
  • Zukunftsorientierung (offen sein für Neues, Risikobereitschaft)
  • Lokale Verbindungen pflegen (Netzwerk in der Nachbarschaft ausbauen)

Der Suche nach der richtigen Balance zwischen Forderung und Überforderung widmete sich Juan Vörös, Unternehmer, Abenteurer und Yogalehrer. Seiner Erfahrung nach wird Motivation nicht durch Zielsetzungen und Druck gefördert: „Früher waren die äusseren Gefahren viel grösser. Heute leben wir in vergleichsweise sicheren Zeiten. Dafür sind wir einem enormen Erwartungsdruck ausgesetzt. Die Lebenskunst ist, im Moment zu sein, das ganz zu machen, was man gerade macht, und keinen Perfektionismus anzustreben.“

Zudem stellte er die Fragen in den Raum: „Bin ich am richtigen Ort, in der richtigen Beziehung, im richtigen Job?“ Falls nicht, sei es jetzt Zeit, diesen Zustand zu ändern, weil das über längere Zeit Stress und Depressionen fördere. Auch lohne es sich nicht, Zeit und Energie zu investieren, wo kein Respekt und keine Wertschätzung vorhanden sei. Wir bräuchten nicht nur Status, sondern Anerkennung. Sein Fazit:

„Nicht immer alles auf später verschieben. Wenn ich am falschen Ort bin, kann ich lange auf die ersehnte Belohnung warten.“ 

Weniger tun bringt mehr. Diese These vertritt Angelika von der Assen, Head of Management Devel­opment bei der Axpo: „Wir sind human beings, verhalten uns aber wie human doings. Immer unter Strom.“ Bei rund 40-60 000 Gedanken und Gefühlen pro Tag sei es nicht einfach, den Fokus zu behalten. Achtsamkeit lehre die Menschen, mit ständigen Veränderungen umzugehen und das heute gefragte agile Mindset zu entwickeln: Offenheit für Neues, fokussiertes und klares Denken und die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Innovation.

Der Weg aus dem „busyness“ sei Innehalten und mit sich selbst in Kontakt zu treten. Es brauche mehr Balance zwischen tun und sein.

Was brauchen wir, damit wir achtsamer werden?

  • Aufmerksamkeit, Fokus und Präsenz
  • Innere Ruhe
  • Klarheit
  • Selbststeuerung

Wie erreichen wir das?

  • Innehalten, im Moment präsent sein
  • kein Multitasking
  • weniger Handy und Co.
  • loslassen
  • seine Vision kennen
  • Atemübungen

Für den Bestsellerautor und Philosophen Richard David Precht sind Menschenwürde und menschliche Freiheit die zentralen Punkte bei der Digitalisierung. Wir seien uns nicht bewusst, wie revolutionär die Zeiten sind, in denen wir leben: „Das erste Maschinenzeitalter hat die menschliche Hand ersetzt – das zweite ersetzt das menschliche Gehirn.“

Seine Prognose für unsere Arbeitsgesellschaft der Zukunft: Der technische Fortschritt produziere mehr neue Arbeit, als dass er alte Arbeit vernichtet. Die Produktivität werde durch die Digitalisierung stark wachsen, das nütze aber nur, wenn auf der anderen Seite die Kaufkraft steige. Das führe zwingend zu einem Grundeinkommen für alle. Denn: Die Daten armer Leute seien nichts wert.

Unsere Gesellschaft müsse sich in Wirtschaft und Mentalität wandeln. Weniger brauchen, mehr teilen, mehr Investitionen in Menschlichkeit und Eigeninitiative. Der Mensch bestehe zwar aus über 80 Prozent H2O und sei ein unerschöpflicher Datenlieferant. Und doch seien wir weitaus mehr als nur Wasser und Daten.


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Visuelle Impressionen von der Impulstagung finden Sie in unserer Fotogalerie und in unserem Video-Rückblick.