In den nächsten Jahren kommen Entwicklungen auf uns zu, die unser Leben und Arbeiten fundamental verändern. Der Wandel ist dabei keine vorübergehende Phase, sondern ein Dauerzustand. Wie begegnet man dieser Welt, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt ist?

Was ist von einer Arbeitswelt zu erwarten, in der flexible Arbeitskräfte in ebenso wandelbaren Strukturen gemeinsam mit künstlichen Intelligenzen Wert schöpfen sollen? Einer Welt, in der man davon ausgeht, dass zwei Drittel der Arbeitstätigen Berufe ausüben werden, die heute noch nicht existieren? Drei Denkanregungen, wie Sie dem Change begegnen können.

Akzeptieren Sie den Wandel

Viele heutige Organisationen mit ihren festgelegten Arbeitsschritten und -prozessen, mit fixen Stellen und starren Hierarchien sind auf eine industrielle Produktion ausgelegt. Unsere künftige Arbeitswelt wird jedoch geprägt sein von fluiden Organisationen, in denen dem Menschen die nicht automatisierbaren, nicht durch Algorithmen abbildbaren Tätigkeiten verbleiben: anspruchsvolle Wissensarbeit, eine Konzentration auf Kompetenzen, über die nur der Mensch verfügt. Globalisierte Märkte, Konkurrenz, schnellere Innovationen, kürzere Produktlebenszyklen und neue Geschäftsmodelle verlangen nach neuen Organisationsformen. Auch wenn solche bevorstehenden Entwicklungen Angst machen können: Der Wandel wird stattfinden, ob wir das wollen oder nicht. Es liegt an uns, ob wir dabei Spielball oder Mitgestalter sind. Wenn wir mitgestalten wollen, müssen wir uns mit den Veränderungen befassen, sie verstehen und erkennen, wo wir Gestaltungsmöglichkeiten haben – als Mitarbeitende genauso wie als Führungskräfte.

Machen Sie sich mit den Spielregeln des Change vertraut

Change ist ein permanenter Prozess, in dem sich das Unternehmen den sich laufend verändernden Bedingungen anpasst, diese mitgestaltet. Felix Frei, Vordenker, Autor und Berater zum Thema Organisationsentwicklung und Change beschreibt es so: „In der Digitalzeit verändern sich die Dinge so rasch, dass sich Organisationen nur dann erfolgreich darauf einstellen können, wenn sie selbst beweglich sind – statt bewegt zu werden. Change muss in die Führung integriert und zu ihrer Kernaufgabe werden.“ Bewegliche Organisationen fordern eine ganz andere Aufstellung der Unternehmen und ihrer Mitarbeitenden. Frei dazu: „Es wird schwierig, im Fussball erfolgreich zu sein, wenn man jeden Spieler während des Spiels immer wieder auf dem Rasen an den richtigen Platz stellen und ihm dort sagen muss, wann er wie kicken soll. Die Spieler sollten schon in der Lage sein, sich selbst zu bewegen.“ Dies setzt voraus, dass ich mitspielen will und dass ich das Spiel verstehe. Dabei kann ich von meinen Vorgesetzten erwarten, dass sie mir den Rahmen und die Spielregeln erklären: Was ist meine Rolle? Was wird von mir erwartet? Wo kann ich mitgestalten? Und wo muss ich Vorgaben akzeptieren?

Lassen Sie sich auf Neues ein ­– und entscheiden Sie

Wandel ist anstrengend, denn er widerspricht dem menschlichen Wunsch nach Stabilität, Sicherheit und Routine. Letztlich sitzen wir jedoch alle im selben Boot: Das Unternehmen ist auf bewegliche, motivierte Mitarbeitende angewiesen, denn sie sind im harten globalen Wettbewerb die entscheidende Ressource. Wenn wir den Change mit positiver Haltung angehen sollen, dürfen wir auch Erwartungen einbringen und Orientierung, Offenheit und Transparenz fordern. Es ist Aufgabe der Vorgesetzten, den Change nachvollziehbar zu machen: Was sind Nutzen und Risiken – für das Unternehmen, das Team, jeden Einzelnen? Es muss aufgezeigt werden, wie und wann offene Fragen geklärt und wie Betroffene miteinbezogen werden.  Es gilt, klar zu sein, wo Klarheit möglich ist, und Sicherheit zu schaffen, indem aufgezeigt wird, wie mit Unsicherheiten umgegangen wird. Echter Change greift tiefer als das bisherige Changemanagement, er betrifft die Haltungen und Werte aller Beteiligten. „Erfolgreiches Changemanagement muss den Menschen erreichen. Deshalb liegt unser Fokus auf Führung, Kommunikation, Steuerung und Beteiligung. Nur wenn wir den Change konsequent als Überzeugungsarbeit begreifen, werden wir den heutigen Anforderungen gerecht. Wir sprechen deshalb von Change Commitment: Erfolgreicher Change überzeugt den Menschen. Er erzählt ihnen eine Geschichte, die erklärt, warum die Veränderung notwendig ist und wie sie vonstattengeht“, sagt Patricia Trenkler von Fischer Group International, einem auf Change spezialisierten Beratungsunternehmen. Das ist anspruchsvolle und zeitintensive Arbeit. „Veränderung vollzieht sich im Mindset und der Haltung der Mitarbeitenden. Sie vollzieht sich im täglichen Kontakt, im persönlichen Dialog der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern“, so Trenkler.

Letztlich müssen wir uns alle fragen: Kann und will ich mich auf diesen Prozess mit ungewissem Ausgang einlassen? Falls ja: sich einbringen, neugierig, mutig, offen sein. Falls nein: nach Alternativen suchen. Doch gerade der Wandel schafft auch immer neue Möglichkeiten – eine positive Grundhaltung ermöglicht, diese Chancen zu erkennen und mit der dazugehörigen Portion Mut zu ergreifen.


Kompetenzen, die uns für den Change befähigen

  • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten: Übergeordnet ist es wichtig, die eigenen Fähigkeiten zu kennen und in diese zu vertrauen. Und es braucht die Bereitschaft, diese Fähigkeiten weiterzuentwickeln, um sich in neuen Situationen zurechtzufinden
  • Projektmanagement: Eine neue Strategie, ein Change wird in der Regel in Form von Projekten umgesetzt. Projektmanagement ist deshalb zu einer unumgänglichen Kompetenz geworden. Kaum jemand, der sie nicht benötigt: sei es als betroffene Mitarbeitende, Projektmitwirkende oder Projektleitung.
  • Digitale Kompetenz: Damit ist nicht fachliches IT-Wissen gemeint, sondern grundsätzliches Interesse an aktuellen Entwicklungen, ein Grundverständnis für Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten im beruflichen Alltag. Warum nicht zum Beispiel einmal einen Online-Codingkurs besuchen – zum Beispiel bei code.org.
  • Umgang mit Unsicherheit und Ambiguität: Change ist per Definition Unsicherheit. Es werden Entscheide gefällt, die risikobehaftet sind und deren Ausgang nicht sicher ist. Für Mitarbeitende ist das oft schwierig auszuhalten. Hier braucht es Vertrauen, dass sich Lösungen finden werden – auch dank eigenem Beitrag!
  • Denk- und Problemlösungsfähigkeiten: Lernen Sie, Situationen zu analysieren, Zusammenhänge zu verstehen, in Alternativen zu denken und Entscheide zu fällen.
  • Agilität: Es braucht Neugier, Interesse, Offenheit und die Bereitschaft, laufend dazuzulernen und sich auf Neues einzulassen. Beweglichkeit hat nichts mit dem Alter zu tun!
  • Resilienz: Geradlinige Lebensläufe werden immer seltener. Das bedeutet, dass man mit Rückschlägen umgehen, sich aufrappeln, neu ausrichten, einen neuen Versuch wagen muss. Aus Misserfolgen und Fehlern zu lernen, kann trainiert werden!
  • Klären von Werten und Erwartungen: Wenn ich die Erwartung habe, dass meine Arbeit mich durchwegs erfüllt, wird es schwierig. Es gibt Phasen, in denen man in seiner Arbeit vollends aufgeht, in andern Zeiten wiederum ist Arbeit Mittel zum Zweck, sich den Lebensunterhalt zu sichern. Wertvoll ist, sich mehrere sinnstiftende ‚Anker‘ wie Beziehungen oder Hobbys zu setzen und sich nicht ausschliesslich über den beruflichen Erfolg zu definieren.

Die ungekürzte Fassung dieses Artikels von Michèle Rosenheck ist im Wir Kaufleute Mai / Juni 2017 erschienen. Michèle Rosenheck ist Professorin der Zürcher Fachhochschule für strategisches Management. Change und Leadership sind Themen, die sie in Theorie wie Praxis seit Langem begleiten – unter anderem in den letzten fünf Jahren als Vizedirektorin und Leiterin Schulentwicklung der KV Zürich Business School Weiterbildung. Ab August 2017 ist sie als Direktorin des Laufbahnzentrums Zürich tätig.