Barbara Studer sieht Neugier im Alltag als bestes Rezept gegen Ängste. Als promovierte Neurowissenschaftlerin doziert sie an der Universität Bern, und als Geschäftsführerin der Hirncoach AG setzt sie sich für mehr Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Gehirns bis ins hohe Alter ein.

In gewohnten Bahnen denken, verlangt dem Hirn weniger Energie ab. Zudem ist jede Änderung verbunden mit Unsicherheit ‒ man weiss weder, was kommt, noch, wie man darauf reagieren soll. Das führt zu negativen Gefühlen und stösst auf innere Abwehr.

Unser Hirn ist in einer Alarmstimmung und richtet den Fokus auf die negativen Aspekte, um mögliche Gefahren wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Das hat aber zur Folge, dass wir oft die guten Seiten der Veränderung nicht sehen. Dagegen hilft nur, sich das bewusst zu machen und dem Wandel mit einer positiven Grundeinstellung zu begegnen.

Genau, indem man von einem «Ich muss/soll» zu einem «Ich will» kommt. Unser Hirn ist zwar gerne faul, aber mindestens ebenso gerne lernt es aufgrund von neuen Erfahrungen dazu. Als erstes braucht es ein klares «Ja» zur Veränderung. Das setzt Motivation in Gang, die wiederum die zusätzliche Energie freisetzt, die wir bei Change-Prozessen benötigen. Ganz wichtig dabei ist, sich selbst zuzutrauen, gut damit umzugehen. Sich auf die Vorteile und den persönlichen Nutzen konzentrieren, die mit der Veränderung einhergehen.

Ja, das geht. Das Beste ist, seine Neugier im Alltag wach zu halten und sich immer wieder auf Neues einzulassen. Konkret heisst das: die Routine durchbrechen, mit Menschen sprechen, die andere Meinungen vertreten, Aufgaben annehmen, bei denen man die eigene Komfortzone verlassen muss. Denn je offener wir sind, desto mehr machen wir die Erfahrung, dass auch schwierige Herausforderungen zu meistern sind.

Grundsätzlich begegnen wir uns selbst neu, wenn wir unbekannte Wege beschreiten. Erleben plötzlich neue Kompetenzen, von denen wir bisher keine Ahnung hatten. Da liegt ein grosses Potenzial. Tatsächlich ist es für die Hirngesundheit zentral, dass wir uns regelmässig herausfordern. Und es ist eine hervorragende Demenzprävention!

Damit Mitarbeitende Veränderungen am Arbeitsplatz mittragen, ist eine Teamkultur, die von Empathie und Vertrauen geprägt ist, zentral. Zudem ist ganz wichtig, dass das Team in den Veränderungsprozess involviert wird und ihn mitgestalten kann. Vorgesetzte zeigen damit ihren Mitarbeitenden Wertschätzung, was diese wiederum motiviert, die Herausforderung aktiv mitzutragen.

Solche negativen Stereotypen sind leider weit verbreitet und halten sich hartnäckig. Ältere Menschen mit einer solchen Haltung schränken sich nur unnötig selbst ein. Veränderungspotenzial hängt grundsätzlich nicht mit dem Alter zusammen. Aus den Neurowissenschaften wissen wir, dass das Hirn auch im Alter weiterhin veränderbar ist und aufbauen kann, wir müssen nur etwas mehr dafür tun. Daher ermutige ich die Jüngeren, ältere Menschen nicht zu unterschätzen. Und die Älteren, weiterhin neugierig und offen zu sein. Wie gesagt, das ist das wirksamste Mittel gegen Demenz.

Ja, ich fühle mich auch manchmal überfordert, bin diesem Gefühl aber nicht ausgeliefert. Wichtig ist, wie man diesen Emotionen und Widerständen begegnet. Ängste haben ihre Berechtigung, sie dürfen nur nicht Überhand nehmen. Mir hilft immer, wenn ich verstehe, woher die Befürchtungen und Vorbehalte kommen und wie ich ihnen mit meinen Werten begegnen kann. Selbstreflexion ist dabei ein wichtiger Faktor. Was habe ich für ein Selbstbild, wie sehe ich andere, wie möchte ich sein, was ist mir wichtig. Das aktiviert die Motivation, die Herausforderung anzugehen. Nicht weil es die Gesellschaft so will, der Betrieb es vorschreibt, die Zeiten es erfordern ‒ sondern weil es mir persönlich wichtig ist.