Ein Nickerchen in Ehren kann Chef:in nicht verwehren. Denn die Wissenschaft ist sich einig: Ein Mittagsschläfchen – Neudeutsch Powernap – lädt die Batterien auf und erhöht die Leistungsfähigkeit. Welche Vorgesetzten wünschen sich das nicht?

«Nicht das Mittagessen ist die Pause, sondern der Spaziergang oder das Nickerchen danach. Gesagt hat das Peter Spork, seines Zeichens Biologe, Anthropologe, Wissenschaftsjournalist und Buchautor, unter anderem von «Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft». Wie viele Arbeitnehmende gönnen sich tatsächlich diese Pause? Leider nach wie vor eine Minderheit. Denn bei der Arbeit nicht leistungsorientiert zu sein, ist ein Tabu. Und dies, obwohl die positiven Auswirkungen eines kurzen Nickerchens mehrfach wissenschaftlich belegt wurden.

2019 zeigte eine Studie des Universitätsspitals Lausanne mit 3462 gesunden Probandinnen und Probanden, die über mehr als fünf Jahre beobachtet wurden: Wer ein- bis zweimal pro Woche einen Mittagsschlaf macht, senkt das Risiko für einen Herzinfarkt oder Hirnschlag deutlich.

Powernap: für mehr Power

Ein Schläfchen ist nicht nur gut für die Gesundheit. Sich dem unausweichlichen Energietief nach dem Mittagessen hinzugeben und kurz die Augen zu schliessen, hilft auch bei der täglichen Performance am Arbeitsplatz. «Wer nachmittags ein paar Minuten schläft, ist danach bis zu drei Stunden leistungsfähiger», sagt Dr. Utz Niklas Walter, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) in Konstanz.

Wir fühlen uns ausgeglichener, können uns besser konzentrieren und stressige Situationen besser aushalten. Dadurch sind wir leistungsfähiger und die Gefahr, Fehler zu machen, sinkt. Erstaunlich: Die Reaktionszeit von Piloten war nach einem kurzen Schlaf um 16 Prozent kürzer, wie Untersuchungen der US-Raumfahrtbehörde NASA gezeigt haben.

Wie lange ist lange genug?

Richtiges «Powernapping» will gelernt sein. Nach rund 20 Minuten gleiten wir in den REM-Schlaf, aus dem viele antriebslos und träge erwachen.

Ideal sind deshalb maximal 20 Minuten Tagschlaf, doch auch schon zehn Minuten können einen positiven Effekt haben. Und: Der richtige Zeitpunkt ist wichtig. Wie der Name verrät, sollte der Mittagsschlaf nach dem Lunch oder am frühen Nachmittag stattfinden, damit sich keine negativen Auswirkungen aufs abendliche Einschlafen ergeben.

Räume für Träume: eine Frage der Philosophie

Im Büro zu sein bedeutet: leisten, leisten, leisten. Es verwundert demnach nicht, dass ein Grossteil der Schweizer Firmen keine Ruheräume hat. Einzelne positive Beispiele gibt es zwar, so bei Google, Siemens oder AXA.

Damit das Angebot tatsächlich genutzt wird, reicht es aber nicht aus, ein paar Liegen aufzustellen. Steht das Unternehmen nicht voll und ganz hinter dem Mittagsschlaf, bleiben die Nutzung ‒ und der Nutzen ‒ eher gering.

Bereits 10 oder 15 Minuten Ablenkung – analoger Art, versteht sich – helfen, dass wir uns anschliessend wieder entspannter unserer Arbeit zuwenden können. Eine bewusste Kaffeepause, ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder ein privates Gespräch unter Mitarbeitenden haben einen positiven Effekt auf die Erholung.


Lesetipp

«Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft»

Peter Spork, Carl Hanser Verlag 2014