Privatwirtschaftliche Unternehmen, öffentliche Verwaltungen oder NGO’s sind hierarchische Organisationen. Damit ist klar, dass die Entscheidungskompetenzen auf den verschiedenen Stufen sehr unterschiedlich sind. Wer Entscheidungen trifft, hat Macht und kann diese im schlimmsten Fall missbrauchen. 

Das Risiko des Machtmissbrauchs wird mit Zuständigkeitsregeln, Gesetzen, Reglementen und Weisungen reduziert. Ganz zu verhindern, ist es nicht. Wir alle kennen mehr oder weniger gravierende Übergriffe. Die Dunkelziffer ist hoch. Es stellen sich die Fragen: Was dürfen Vorgesetzte im Rahmen ihres Weisungsrechts anordnen und entscheiden? Wann muss der Arbeitgeber rote Linien ziehen und zum Schutz gefährdeter Mitarbeitenden einschreiten?

Das Gesetz

Wenn es im Arbeitsrecht um solche Fragestellungen geht, berufen sich Juristinnen, Juristen und Gerichte häufig auf Art. 328 OR. In diesem Gesetzesartikel steht:

«Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, …»

Gemäss dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber selber persönlichkeitsverletzende Angriffe unterlassen. Er hat darüber hinaus aber auch dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeitenden keine Übergriffe von Vorgesetzten, anderen Mitarbeitenden oder Dritten wie Kunden und Lieferanten erleiden.

Fürsorgepflicht

Zudem sind technische Massnahmen zu ergreifen, um Gefahrenrisiken für «Leib und Leben» zu begegnen. Diese Schutzaufgaben des Arbeitgebers werden zusammenfassend und etwas altertümlich als «Fürsorgepflicht» bezeichnet. Die Achtung der Mitarbeitenden in psychischer, physischer und intellektueller Hinsicht wird zu einem zentralen rechtlichen Anspruch.

Wertewandel

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Wertewandels und eindrücklicher technischer Veränderungen die Schutzbedürfnisse immer mehr differenziert und ausgeweitet. Das hat sich auf die Gesetzgebung und die Rechtsprechung ausgewirkt.

Zahlreiche gesetzliche Spezialbestimmungen finden sich im
– Arbeitsgesetz (ArG)
– Gleichstellungsgesetz (GlG)
– Datenschutzgesetz (DSG)
– Unfallversicherungsgesetz (UVG)

Welches Vorgehen ist bei einer erlittenen Verletzung sinnvoll?

Das hängt entscheidend vom Schweregrad des störenden Verhaltens ab. Führt es zu Verunsicherung, gesundheitlicher Beeinträchtigung, Ärger oder Enttäuschung kann dies mit der verursachenden Person meistens direkt und lösungsorientiert besprochen werden.Eigentliche Übergriffe mit schwerwiegenderen Folgen sind jedoch klar zu benennen und als verletzend zurückzuweisen. Je nach Situation rechtfertigt sich vorgängig eine innerbetriebliche Besprechung mit einer dafür zuständigen Vertrauensperson. Selbstverständlich dürfen keine unbegründeten oder leichtfertigen Anschuldigungen erhoben werden. Diese könnten zu Sanktionen führen.

Betriebliche Anlaufstelle

Vor allem grössere Firmen haben für die Konfliktklärung im Unternehmen eine interne, neutrale Stelle bezeichnet. Eine Besprechung in diesem Rahmen sollte unseres Erachtens protokolliert und das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Gemäss unserer mit dem Verband Zürcher Handelsfirmen erarbeiteten Empfehlung, hört die Vertrauensperson die betroffene Person an, zeigt Handlungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen auf und hilft, auf Wunsch die notwendigen Schritte einzuleiten. Die Vertrauensperson ist zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet. Sie spricht das Vorgehen mit der belästigten oder gemobbten Person ab. Information von Dritten und Kontaktnahme mit belästigenden oder mobbenden Personen erfolgen nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis der betroffenen Person. Die Vertrauensperson steht auch Zeugen von sexueller Belästigung und Mobbing als Ansprechperson zur Verfügung.


Merkblatt
Der Kaufmännische Verband Zürich hat zusammen mit dem Verband Zürcher Handelsfirmen ein Merkblatt zum Thema «Sexuelle Belästigung und Mobbing» erarbeitet. Mitglieder vom Kaufmännischen Verband Zürich können ein Exemplar kostenlos beziehen. Schicken Sie dazu eine Mail an info@kfmv-zuerich.ch mit dem Betreff «Merkblatt Sexuelle Belästigung und Mobbing».