Im Oktober 2017 hat Alan David Sangines (31), SP-Gemeinderat und einstiger KV-Absolvent den Tolerantia-Award erhalten. Der Preis wird an Personen verliehen, die sich stark für Gleichberechtigung, Solidarität und Toleranz sowie gegen Rassismus oder Homophobie engagieren. Ein kurzes Gespräch.

Herr Sangines, was bedeutet Ihnen der Tolerantia-Award?

Ich freue mich sehr über diesen Preis. Gerade, weil er mir für mein Engagement für Minderheiten verliehen wurde. Minderheiten, die sonst keine oder fast keine politische Lobby haben, wie beispielsweise homo-, bisexuelle und Trans-Flüchtlinge.

Mit welchen Gefühlen denken Sie an Ihre KV-Lehrzeit zurück?

Ich bin sehr froh, eine KV-Lehre gemacht zu haben und denke mit positiven Gefühlen an diese Zeit zurück. Natürlich war es teilweise anstrengend und fordernd. Gerade im zweiten Lehrjahr, als ich bereits ein Jahr in der Lehre war, aber noch ein bis zwei Jahre vor mir hatte, war es eher schwierig, die Motivation zu behalten. Ich kann aber nur allen raten, es durchzuziehen: Die Lehrzeit geht schneller vorbei als man denkt, und man hat einen guten und wichtigen Abschluss für die spätere Berufswelt in der Tasche.

Wie haben Ihre KV-Kolleg/-innen auf Ihr damaliges Outing reagiert?

Gut. Ich war sehr froh darüber. Einige waren ursprünglich sehr schwulenfeindlich. Aber durch mein Outing kannten meine Kolleginnen und Kollegen plötzlich einen Betroffenen, den sie mochten. Das sorgte dafür, dass sie ihre Vorurteile hinterfragten. Einer schrieb mir nach meinem Outing per SMS, dass das Schimpfwort „Schwuchtel“ ab sofort aus seinem Vokabular gestrichen werde – und er hatte das Wort vorher oft benutzt (lacht). Ich bin froh und dankbar, keinen einzigen Freund und keine einzige Freundin deswegen verloren zu haben.

Wie offen und tolerant erleben Sie die KV-Berufswelt generell?

Ich habe rund 12 Jahre im KV-Bereich gearbeitet und beides erlebt: Toleranz und Unverständnis. Es kommt sehr auf das Arbeitsklima, die Einstellungen der Vorgesetzten usw. an. Ich habe meine Lehre in einer Anwaltskanzlei gemacht, wo einige Anwälte dem Thema gegenüber offen und andere eher konservativ waren. Doch auch von den konservativen Anwälten erfuhr ich nach meinem Outing Unterstützung. Gerade kürzlich hat mir jedoch ein Bekannter aus einer Schweizer Grossbank erzählt, dass sein Chef dauernd über Homosexuelle herziehe und sie als widerlich bezeichne. Niemand traue sich jedoch, dagegen vorzugehen, weil er eine wichtige Position in seinem Department inne hat. Es kommt also sehr auf die einzelnen Personen und die Betriebskultur an.

Was könnte resp. müsste im beruflichen Umfeld bezüglich Toleranz gegenüber LGBT verbessert werden?

Wichtig wäre ein Diversity-Management, das die Mitarbeitenden explizit ermutigt, sich selbst zu sein bzw. das Diversity als Bereicherung fördert. Es sollte beispielsweise eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Mitarbeiter seinen Partner oder eine Mitarbeiterin ihre Partnerin an entsprechende Anlässe mitnehmen kann. Mit einem Diversity-Management kann man allen Mitarbeitenden zeigen, dass das Unternehmen eine wertschätzende, LGBT-freundliche Unternehmenskultur hat. Ein LGBT-feindliches Klima darf hingegen nicht toleriert werden – egal auf welcher Hierarchiestufe – und bei Vorkommnissen sollte, wie in anderen Fällen von sexueller Belästigung oder Mobbing, konsequent eingeschritten werden.

Welchen Tipp geben Sie jungen KV-Lernenden, denen es ähnlich geht wie Ihnen damals?

Einen goldenen Tipp zu geben, ist enorm schwierig, weil sich bei jedem Menschen familiäre Struktur, Erziehung, Hintergrund, Persönlichkeit, schulisches und berufliches Umfeld unterscheiden. Ich persönlich habe beste Erfahrungen mit dem Outing gemacht, es hat mich mit meinen Freundinnen und Freunden noch näher zusammengebracht. Auch wenn ein Outing im ersten Moment vielen als sehr schweren Schritt erscheint, ist die Erleichterung, die daraus folgt, um ein Vielfaches höher und lohnt sich auf jeden Fall. Aber dafür muss die Konstellation stimmen. Es gibt zum Thema Outing viele gute Beratungsangebote, gerade für junge Menschen, beispielsweise die Beratungsplattform du-bist-du.