Ein funktionierendes Team auf die Beine zu stellen ist eine zentrale Führungsaufgabe — und gar nicht so einfach. Die Arbeitspsychologen Moreno Della Picca und Mona Spisak zeigen anhand eines praktischen Beispiels auf, welche Faktoren wichtig sind, um aus einer Gruppe Mitarbeitenden ein leistungsfähiges Team zu schmieden.

Mit rotem Kopf läuft Renate aus der Türe, hinter der die Geschäftsleitung noch weiter tagt. In ihren Ohren hallen die Vorwürfe der GL-Kollegen nach: „Lahm“ sei ihr Team, nicht innovativ! Es sei ein Witz, wenn ihre Leute sich „Business Partner“ nennen, wo sie vom eigentlichen Business doch gar nichts verstehen würden!

Bewusste Teambildung

Nachdem sie den ersten Schreck verdaut hat, blickt sie der Wahrheit ins Auge. In der Folge formt sie ihre bisher eher semi-professionelle Gruppe zu einem hochkarätigen Team: Renate beginnt bei sich selbst: Hält sie als Leader den Anforderungen stand? Um ihr Standing in der GL zu untermauern, muss sie ihren GL-Kollegen eine gleichwertige, strategisch einflussnehmende Partnerin sein, die proaktiv innovative Businessideen einbringt.
In ihrer Wirkung nach „unten“ heisst es, die Klaviatur ihrer Rolle auszubauen, indem sie sichtbar zu ihrer Führungsfunktion steht, sich als taktisch versierte Vernetzerin positioniert, aber auch einfordert und mitunter unbequem ist. Coach und Koordinatorin zu sein wie bis anhin, ist wichtig. Aber es genügt nicht! Nachdem sie das Aufgaben-Portfolio und die Strategie ihres Teams abgesteckt hat, wird sie die erforderlichen Leistungs- und Kompetenzprofile explizit machen. Dann heisst es „Klartext reden“ und aufbauen, was an Können fehlt.

Menschen bewegen

Führung heisst, der Bewegung eine Richtung zu geben. Renate muss mit ihren Mitarbeitenden und der GL einen Fokus definieren. Zugleich die Rolle und den Wert ihres Bereichs im Unternehmen deutlich machen: Sie erstellt mit ihrem Team eine klare Roadmap. Werden sie diese schaffen? Dafür zu sorgen ist Renates Job. Auf ihr Team zu vertrauen und zugleich wohlwollend-kritischen Auges zu bleiben, ist wichtig.
Arbeit kann und soll Spass machen. Damit sie ihr Team richtig einsetzen kann, setzt sich Renate mit den Talenten und Vorlieben der Einzelnen auseinander. Sie variiert das Anspruchsniveau, da kurzfristige, leichte Überforderung die Leistung und Zufriedenheit steigern. Abwechslung und ein individueller Zugang zu den Aufgaben machen die Motivation nachhaltig. Die Mitarbeitenden wachsen an ihren Erfolgen. Renate arbeitet mit Feedback und Anerkennung. Fehler werden gemeinsam analysiert und die Lehren daraus gezogen.

Innovation fördern

Innovationen sind heute von digitaler Technologie getrieben. Damit Neues entstehen kann, sorgt Renate für ein vertrauensvolles Arbeitsklima, in dem gemeinsam ausprobiert, diskutiert und entschieden wird. Sie ermöglicht Experimentierräume, denkt dabei an Thinktanks oder „incubations“, in denen „Narrenfreiheit“ herrscht und Fehler (auch gewichtige) Platz haben. Allerdings so, dass sie nicht zur realitätsfremden Spielkammern verkommen! Sie fördert innovatives Denken. Die Kollegen sollen in Perspektiven denken, Bestehendes verwerfen können und ihre Kreativität nutzen. Reflexion wird einen prominenten Platz bekommen und bedeutet nicht zuletzt Denk-Disziplin. Und eine intensive Feedback-Runde muss her, in der die Selbstbilder verschiedenen Fremdbildern gegenübergestellt werden, um daraus griffige Entwicklungsmassnahmen für Einzelne abzuleiten.

Die Kraft der Beziehung nutzen

Geschicktes Beziehungsmanagement ist ein Erfolgsschlüssel für ihre Teamleistung. Hierzu schafft Renate einige Grundlagen: Um das Gefühl von Gerechtigkeit zu verankern, achtet sie auf faire Information: akkurat, zeitgerecht, ehrlich und angemessen. Dem Bedürfnis Einzelner nach Würde und sozialer Akzeptanz ist dabei Rechnung zu tragen. Beziehungen leben von Emotionen. Mitarbeitende sollen Renate offenbaren können, was in ihnen vorgeht. Sie wird mit gutem Beispiel vorangehen. Angst und Ärger sind ein Fakt ‒ es heisst, sie offen und klug anzugehen. Konkurrenz und Wettkampf dürfen sein, aber nicht übermässig (destruktiv) geschürt werden. Der Hilfsbereitschaft wird sie einen hohen Wert zuschreiben und unterstützendes Verhalten belohnen.


Mona Spisak
ist wissenschaftliche Psychologin und Autorin verschiedener Publikationen und Bücher zur angewandten Führungs- und Arbeitspsychologie. Sie leitet ein Unternehmen im Bereich der Personaldiagnostik und Laufbahngestaltung in Zürich und Hamburg. p-assessments-careers.com

Moreno Della Picca
ist Arbeits- & Organisationspsychologe mit Zusatzausbildung in Executive Coaching und einem postgradualen Studium in „Strategic Project Leadership“. Er ist spezialisiert auf das Coaching von Führungskräften und die Entwicklung von Führungsteams. dellapicca.ch