Verdienen Sie genug? Ihren Leistungen entsprechend? Erhält ein Kollege mehr Lohn trotz gleichem Output? Konfuzius sagte: «Wer gut verdient, strengt sich nicht an. Wer sich anstrengt, verdient nicht gut». So manchem wird das aus der Seele sprechen – doch so gut das Bonmot des chinesischen Philosophen auch klingen mag, ganz so einfach ist es nicht. Der Zürcher Arbeitspsychologe Theo Wehner erklärt, wieso Lohn und gerechte Bezahlung meist nicht gut zusammenpassen.

Gibt es «die» Definition eines fairen Lohns?

Was in einem Wörterbuch steht, ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, was wir als gerecht empfinden. Einen objektiv ermittelbaren Lohn gibt es nicht, er ist von vielen landesüblichen, kulturellen Vereinbarungen abhängig. Denn sonst würden weibliche Mitarbeitende nicht weniger verdienen, als ihre männlichen Kollegen bei exakt gleicher Qualifikation, im gleichen Unternehmen. Selbst die individuelle Leistung ist nicht ausschlaggebend. Sonst würde jemand bei gleicher Leistungsfähigkeit und gleicher Qualifikation in einem Konzern nicht mehr verdienen, als jemand in einem KMU. Der Unterschied hierbei wird meist damit begründet, dass in einem Konzern mehr Reichtum entsteht, mehr Wertschöpfung stattfindet. Als gerecht bzw. fair werden diese teils gravierenden Unterschiede solange empfunden, bis über gewerkschaftliche Initiativen oder ein Volksbegehren auf die wahrgenommene Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht wird.

Der Mensch ist von sich aus gerne tätig, er brauche dafür keinen Lohn, sagen Sie. Was motiviert uns denn dann in erster Linie, uns zu beschäftigen?

Ihre Darstellung entspricht meiner Position nicht ganz, lassen sie mich also korrigieren: Wir brauchen eine Existenzgrundlage, die wir heute nur durch eine unselbstständige oder selbstständige Erwerbsarbeit erlangen können. Erst ein Einkommen ermöglicht das Auskommen. Wer diese Bedingung – die nicht gottgegeben ist, auch wenn sie von calvinistischem Geist durchdrungen wurde – nicht akzeptiert, würde schlichtweg verhungern. Von existenzsichernder Arbeit sind wir also abhängig und durch diesen starken „äusseren Anreiz“ sind wir motiviert, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Wer nun sogar mehr Einkommen hat, als er für seine Existenzsicherung braucht, wird dennoch auf vielfältige Weise tätig und in diesem Fall sogar intrinsisch motiviert. Eine solche Person (es sind sicher gut die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger der Schweiz) sucht sich ein Hobby, übernimmt Pflegetätigkeiten im Familien- oder Verwandtenkreis, betätigt sich politisch oder ist anderweitig ehrenamtlich aktiv – und zwar unbezahlt! In Interviews mit Freiwilligen habe ich unzählige Male gehört, dass die Menschen bei diesen Tätigkeiten nicht nur Sinn zu generieren vermögen, sondern sich in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement zeigt, welche Werte sie vertreten, was sie als Mensch ausmacht, wofür sie einstehen in der Gesellschaft.

Aber macht mehr Lohn denn nicht glücklicher?

In vielen Fällen sicher auch, und eine Zufriedenheit erlangt man in den meisten Fällen. Schaut man jedoch genauer hin, dann zeigt sich in empirischen Studien, dass die soziale Wertschätzung wesentlich mehr zur Arbeitszufriedenheit beiträgt als zusätzliche finanzielle Anerkennung. Dies vor allem dann, wenn der Lohn über der Schwelle zur Existenzsicherung liegt, was ja für die allermeisten Schweizer Arbeitsverträge gilt.

Dieses Interview erschien im Wir Kaufleute 11 / 12 2016. Die ausführliche Variante finden Sie hier….

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