Über Geld spricht man nicht – schon gar nicht über den Lohn. So jedenfalls halten es die Schweizer:innen seit Jahrzehnten. Doch nun scheint es, als bröckle eines der grössten Tabus in der Schweiz.

Im Januar legt «Schweiz aktuell»-Moderatorin Oceana Galmarini der Weltwoche ihr Gehalt offen, einen Monat später zog Patrizia Laeri auf LinkedIn nach. In ihrem Post gab die Wirtschaftsjournalistin an, sich 2022 monatlich 8000 Franken netto ausbezahlt zu haben. Gleichzeitig rief sie ihre Kolleginnen und Kollegen dazu auf, es ihr gleichzutun, um mehr Transparenz in Bezug auf die Lohnstruktur in den Medienunternehmen zu schaffen. Laeri wollte mit der Veröffentlichung ihres Gehalts nach eigenen Aussagen dazu beitragen, «den Sexismus auf dem Lohnzettel abzuschaffen». Seither wird in Foren und sozialen Medien das Thema Lohngleichheit und Gender Pay Gap heiss diskutiert.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

In der Schweiz galt bis vor Kurzem das ungeschriebene Gesetz: Über den Lohn spricht man nicht. Doch die Mauer des Schweigens bricht ein. Immer mehr Unternehmen veröffentlichen ihre Lohnstrukturen. Verschiedene Faktoren tragen zu diesem Umdenken bei: Die öffentliche Debatte über die Gleichstellung der Geschlechter ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lohngerechtigkeit. Ein weiterer Faktor ist die wachsende Bedeutung von Diversity und Inklusion in der Arbeitswelt. Unternehmen, die sich dafür einsetzen, kommen auch an transparenten Lohnstrukturen nicht vorbei. Nur so können sie sicherstellen, dass Frauen und Männer, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, ältere und jüngere Arbeitnehmer:innen gleichermassen fair entlohnt werden.

Gefahr von Neid und Missgunst

Viele Beschäftigte würden zu gern wissen, was ihre Kolleginnen und Kollegen verdienen. Doch die Offenlegung der Gehälter birgt auch Risiken. Gemäss einer Studie von Cullen & Pakzad-Hurson (2019) gleichen sich die Löhne dadurch zwar an, doch werden diese gleichzeitig um durchschnittlich sieben bis acht Prozent gesenkt. Zudem haben Stellenbewerbende zwar einen Informationsvorteil, doch ist es für sie schwieriger, überdurchschnittliche Lohnforderungen auszuhandeln. Denn Arbeitgebende neigen bei fehlender Lohntransparenz eher dazu, bei besonders attraktiven Bewerbenden auf solche Forderungen einzugehen.

Lohngerechtigkeit

In Zukunft eine Selbstverständlichkeit. Auch in der politischen Debatte gewinnt Lohngerechtigkeit zunehmend an Bedeutung. Der Kaufmännische Verband setzt sich mit voller Überzeugung für das Thema ein. Es wird in den sozialpartnerschaftlichen Kommissionen und GAV-Verhandlungen mit hoher Priorität behandelt. Der Verband ist überzeugt: Es braucht faire und transparente Lohnsysteme. Sie sind ein wichtiger Schritt in eine Zukunft, in der «Gleiche Arbeit für gleichen Lohn» nicht nur eine Forderung, sondern eine Selbstverständlichkeit ist.

Über Geld spricht man in den USA und in den skandinavischen Ländern mehr. Dort werden in Stellenausschreibungen die Löhne transparent gemacht.

In den USA und in skandinavischen Ländern werden in Stellenausschreibungen Löhne transparent gemacht. In Schweden sind die Einkommen aller Bürger:innen sogar von Gesetzes wegen öffentlich einsehbar. Davon sind wir hierzulande (zum Glück?) noch weit entfernt.

Haben Sie noch Fragen zum Thema Lohn? Unser Blogbeitrag «Lohn: Alles, was Sie wissen müssen» hat die Antworten!