Die heutige Arbeitswelt wird zunehmend mobiler, flexibler und digitaler: Mehrfachjobs, Freelancertum und Projektarbeit im Mandat nehmen stetig zu. Unternehmertum lautet das neue berufliche Ideal – aber wann gilt jemand im rechtlichen Sinne als selbständigerwerbend?

Rechtliche Einordnung

Sozialversicherungsrechtlich sind arbeitstätige Personen grundsätzlich zwei Kategorien zuzuordnen: Selbständigerwerbende und Unselbständigerwerbende. Zudem unterscheidet die Rechtsprechung in vertragsrechtlicher Hinsicht im Grundsatz zwischen Arbeitnehmer, Auftragnehmer und arbeitnehmerähnlichen Personen. Auf letztere finden typischerweise einzelne ausgewählte Schutzvorschriften aus dem Arbeitsrecht Anwendung.

Ob eine arbeitstätige Person – ob sie nun als Freelancer, freier Mitarbeiter, Coworker etc. bezeichnet wird – im Sinne der AHV-Gesetzgebung unselbständig oder selbständig tätig ist, entscheidet immer die zuständige Ausgleichskasse. Eruiert wird dies aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall. Die Beurteilung erfolgt unabhängig davon, wie das Vertragsverhältnis benannt ist, was im Vertrag festgehalten oder über die Bezahlung der Beiträge vereinbart wurde.

Weitere Informationen zur rechtlichen Einordnung finden Sie in unserem Merkblatt «Neue Arbeitsformen – Rechtliche Aspekte».

 

Kriterien Selbständigkeit

Ein Selbständigerwerbender

  • tritt am Markt unter eigenem Namen auf
  • arbeitet auf eigene Rechnung
  • ist für eine Vielzahl von Kunden tätig und ist in Bezug auf seine Auftraggeber nicht weisungsgebunden
  • trägt das wirtschaftliches Risiko indem er selbständig akquiriert und in eigene Maschinen, Geräte, Büroräumlichkeiten, etc. investiert.

 

Bei Mehrfachjobs wird jede Tätigkeit für sich beurteilt. Es ist möglich, dass eine Person in einer Tätigkeit als selbständigerwerbend anerkannt wird, aber in einer anderen Tätigkeit als unselbständig gilt. Eine Anerkennung der Selbständigkeit durch die Ausgleichskasse wird regelmässig abgelehnt, wenn die Person im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist oder diese Person zuvor beim Auftraggeber angestellt war.

 

Ausgleichskasse überprüft Selbständigkeit

Die Anerkennung der Selbständigkeit durch die zuständige Ausgleichskasse ist Voraussetzung, um die erzielten Einkommen eigenständig abrechnen zu können. Eine Deklarierung der Einkommen als Selbständigerwerbender in der Steuererklärung oder ein Eintrag im Handelsregister genügen nicht.

Eine anerkannte selbständigerwerbende Person kann die Beiträge an die AHV, IV und EO je nach Erwerbseinkommen sowie einen prozentualen Beitrag an Familienzulagen selber mit der Ausgleichskasse abrechnen. Wer über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeitet, bleibt beitragspflichtig, solange er erwerbstätig ist.

 

Wichtig: Selbständigerwerbende sind nicht gegen Arbeitslosigkeit und nicht obligatorisch gegen Unfall versichert. Die berufliche Vorsorge ist freiwillig.

 

Eine Anmeldung ist erst möglich, wenn die Tätigkeit bereits aufgenommen wurde und die Selbständigkeit nachgewiesen werden kann mit:

  • Offerten, Werbematerial (Webauftritt, Visitenkarten, etc.)
  • gestellten und erhaltenen Rechnungen (inkl. Nachweis Geldfluss)
  • Verträge mit Kunden
  • Mietvertrag von Büroräumlichkeiten, etc.

 

Nachträgliche Qualifizierung als Arbeitnehmer und Schwarzarbeit

Sogenannte Freelancer (freie Mitarbeiter) sind oftmals eine interessante Option, um die personellen Kapazitäten eines Unternehmens temporär zu erweitern, ohne sich arbeitsrechtlich oder sozialversicherungsrechtlich zu verpflichten. Qualifiziert die AHV bei einer Überprüfung den Freelancer im Nachhinein jedoch nicht als Selbständigerwerbenden, sondern als Arbeitnehmer, so werden die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge der letzten fünf Jahre bei der Arbeitgeberin nacherhoben. Hat der Freelancer selber keine AHV-Beiträge entrichtet, so befindet sich die Arbeitgeberin sogar in der Situation, dass der Freelancer schwarz gearbeitet hat – mit entsprechenden Konsequenzen.

 


Haben Sie rechtliche Fragen zu den Themen Selbständigkeit, mobile Arbeit, Gig-Work usw.? Der Rechtsdienst des Kaufmännischen Verbands Zürich ist Ihre Anlaufstelle.