Unser Arbeitsgesetz entspreche nicht mehr den heutigen Begebenheiten. Es müsse deshalb flexibler gestaltet und von unnötigen Regulierungen befreit werden. Das forderte der Schweizerische Gewerbeverband SGV dieser Tage in Bern.

Überflüssige Vorgaben zu Ruhe- und Pausenzeiten gelte es abzubauen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit in Spitzenzeiten von 45 auf 50 Stunden zu erhöhen. Eine Idee, von der die meisten Angestellten in Industrie, Gewerbe und Dienstleistung betroffen wäre. Und eine Idee, die modern und zugleich anachronistisch anmutet. Die Reaktionen auf den radikalen Vorstoss folgten prompt und teils hoch emotional. Für die einen ein Indiz, dass hier eine längst nötige Diskussion angestossen wurde. Für andere der Beweis, dass das Fass für viele Arbeitnehmende kurz vor dem Überlaufen ist. Selbst wenn beide Seite Recht haben mögen, scheint mir die jüngste Debatte etwas aus der Zeit zu fallen.

Rahmenbedingungen berücksichtigen

Anders als vor 50 Jahren nämlich arbeiten die meisten Menschen hierzulande nicht mehr in der Industrie, sondern in Dienstleistungsbetrieben. Die weltweite Wirtschaft befindet sich im Umbruch und verhält sich höchst dynamisch. Wer als Firma unter diesen Bedingungen bestehen will, muss agil sein. Die neuen Technologien – Stichwort: Digitalisierung und Robotisierung unserer Gesellschaft – eröffnen vielfältige Möglichkeiten für den Umgang mit dieser Dynamik, doch bringt der technologische Fortschritt für Arbeitnehmende auch neue Herausforderungen, Belastungen und weckt Ängste. Dies darf man bei der Diskussion um die Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes nicht aus den Augen verlieren. Auch sind die Rahmenbedingungen und Arbeitsrealitäten in einzelnen Branchen sehr unterschiedlich.

Modernisierung an Verantwortung koppeln

Als Sozialpartner und als Arbeitnehmerverband, der sich seit jeher für faire Arbeitsbedingungen stark macht, werten wir die Bereitschaft des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) flexible Arbeitsmodelle – wie das Jahresarbeitszeitmodell und Home-Office – für die Angestellte in gewerblichen Betrieben zu fördern, grundsätzlich positiv.

Doch müssen wir die angestrebte Modernisierung an klare Voraussetzungen knüpfen: Die Flexibilisierung von Arbeits- und Ruhezeiten ist nur für Beschäftigte sinnvoll, die autonom über ihre Jahresarbeitszeit verfügen können. Und klar ist auch: Die Jahresarbeitszeit darf nicht heraufgesetzt werden. Zudem kommt auch eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht Frage – erst recht nicht, wenn damit noch Einschränkungen bei der Ruhezeit einhergehen beziehungsweise keine Kompensation in Form von Zeit oder Geld für die Arbeitnehmenden vorgesehen ist. Last but not least: Vorübergehende Mehrbelastung muss mit einem verstärkten Gesundheitsschutz einhergehen. Denn nur ein gesunder Geist und gesunder Körper arbeiten auch effektiv. Eine althergebrachte Weisheit, aber aktueller denn je.


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