Zwei Jahre sind seit der Implementierung der neuen KV-Lehre vergangen. Die Reform führt zu einer stärkeren Kompetenzorientierung. Statt rein theoretischer Wissensvermittlung geht es um die Anwendung in der Praxis und um die Förderung der Handlungskompetenzen.

In den Betrieben werden die Lernenden seit der Reform stärker in praxisnahe Aufgaben eingebunden. Sie übernehmen mehr Verantwortung und werden früh in Projekte und Prozesse einbezogen. Dabei zeigt sich, was im Vorfeld erwartet wurde: Die neue Ausbildungsform verlangt mehr Eigeninitiative und Selbstständigkeit von den Lernenden.

«Ich finde es gut, dass ich nicht nur mit Wissen «abgefüllt» werde. Mir gefällt, dass ich selbst etwas umsetzen und im Team arbeiten kann.»

Vielfältige Reaktionen aus der Praxis

Wie bei jeder grossen Reform fallen die Rückmeldungen unterschiedlich aus. Von echter Begeisterung, weil der neue Ablauf gut strukturiert ist, die Praxisaufträge die Selbstständigkeit der Lernenden fördern und die Reform auch betriebsinterne Veränderungsprozesse auslöst, bis zu kritischen Voten, etwa hinsichtlich der Umsetzung auf den digitalen Lernplattformen oder den Umfang an Praxisaufträge. Wie jede Reform braucht auch dieser Prozess Zeit. Er wird laufend optimiert und weiteren Anpassungen unterzogen werden.

«Ich arbeite gerne mit den Praxisaufträgen. Mir gefällt, dass ich diese selbstständig ausführen kann.»

Die oft gehörte Forderung, die Anzahl der Praxisaufträge zu reduzieren, ist aus Sicht der Betriebe in gewisser Weise nachvollziehbar.  Mit Blick auf den Lernprozess macht eine grössere Anzahl Praxisaufträge jedoch Sinn. Die Praxisaufträge sind bewusst auf kurze Arbeitsprozesse ausgelegt, damit die Lernenden die Möglichkeit haben, die Prozesse zu repetieren und so die entsprechenden Handlungskompetenzen zu entwickeln. Ein Zusammenstreichen würde das verhindern, was die Lernenden benötigen: Repetition. Denn Repetition führt zu Kompetenz.

«D’Lerndoku isch nöd so mis J.»

Breit diskutiert wurden auch die digitalen Lehrmittel und interaktiven Unterrichtsformen. Schliesslich ist die Anpassung an die digitale Arbeitswelt ein zentraler Schritt, um die KV-Lehre zukunftsfähig zu halten. Momentan wird intensiv am neuen schulischen und betrieblichen Qualifikationsverfahren gearbeitet. Bald stehen die ersten Nullserien zur Vorbereitung der QV-Prüfungen zur Verfügung. Entscheidend für den Erfolg der Reform wird sein, wie gut sich Lernende, Betriebe und Schulen auf die neuen Bedingungen einstellen können.

«Ich han im zweite Semeschter en richtige Gump gmacht!»

Von den Lernenden lernen

Insgesamt fällt nach den ersten beiden Jahren seit der Reform auf, dass die Lernenden einen sehr pragmatischen Umgang mit der neuen KV-Lehre pflegen. Sie machen einfach. Und das ist das Gute an diesem Prozess. Neugierig zu bleiben, sich auf Veränderungen einzulassen und sich neuen Herausforderungen zu stellen: Was das betrifft, können wir alle von den Lernenden lernen. Die im Artikel verteilten Aussagen aus einer anonym durchgeführten Umfrage unterstreichen diese Haltung und sprechen für sich.

«Nein echt, was motzen die denn alle. Ich kenne das alte System nicht. Ich will einfach, dass mich meine Lehre weiterbringt.»


Über die Autorin

Vera Class, MAS Wirtschaftspsychologie FHNW, eidg. dipl. Kommunikationsleiterin, eidg. FA Ausbildnerin, ist Berufsbildungsexpertin und leitet die nationale Fachgruppe wbp – Wir Berufs- und Praxisbildner:innen.