Wie geht ein mittleres KMU wie das Beschläge-Unternehmen OPO Oeschger mit dem herrschenden Fachkräftemangel um? Im Interview gibt Simone Müller, Leiterin Personal, Einblick in ihren Rekrutierungsalltag.

«Arbeitnehmermarkt» oder «War for Talents» – wie nehmen Sie den Arbeitsmarkt wahr?

Die Arbeitnehmenden sind anspruchsvoller und kritischer geworden. Ich kann heute eine Stelle nicht mehr innerhalb eines Monats besetzen. Trotzdem sehe ich die Entwicklung durchaus positiv. Auch wenn tendenziell weniger Bewerbungen eintreffen, meist sind es dafür qualifiziertere. Aber klar, als Arbeitgebende:r müssen wir mehr Marketing betreiben als früher. Vor allem aber auch unseren Mitarbeitenden Sorge tragen, denn sie sind die besten Botschafter.

Wie hat sich die Rekrutierung verändert?

Inserate auf Jobportalen haben bald ausgedient. Heute gehen die Arbeitsuchenden gezielt auf den Webseiten von Unternehmen auf Jobsuche. Hauptsächlich machen wir über Funnel-Recrutings* via Facebook und Instagram auf unsere Stellen aufmerksam. Die fachspezifischen Stellen besetzen wir nur noch so und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

Inwiefern gestaltet sich die Suche nach Fachkräften für Ihr Unternehmen schwierig?

Einerseits suchen wir hauptsächlich Mitarbeitende mit technischem Hintergrund, Schreiner:innen, Zimmermänner/Zimmerinnen und Metallbauer:innen, die sich kaufmännisch oder verkaufstechnisch weitergebildet haben. Der Markt um diese Fachkräfte ist hart umkämpft. Andererseits stellen auch wir als Unternehmen hohe Ansprüche: Es ist uns sehr wichtig, dass die Menschen, die bei uns arbeiten, gut zu unserer Unternehmenskultur passen. Trotzdem konnte ich bisher jede Stelle besetzen, es dauert einfach etwas länger.

Geht es um Employer Branding hat man grosse Player wie Swisscom, Google oder die SBB vor Augen. Was bieten Sie als KMU?

Wir haben eine ausgeprägte Unternehmenskultur, auf die wir stolz sind. Das Klima ist persönlich, jeder kennt jeden. Neben stylischen Büroräumlichkeiten bieten wir unseren Mitarbeitenden ein eigenes Personalrestaurant, unbezahlten Urlaub, längeren Vaterschaftsurlaub, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice. Teilzeit ist bis in die obersten Etagen möglich.

Kleine und mittlere Unternehmen haben kein grosses Budget für Arbeitgebenden-Marketing. Ihr persönlicher Rekrutierungstipp?

Die eigenen Mitarbeitenden sind die besten Markenträger! Sie sind das wertvollste Gut eines Unternehmens. Das funktioniert natürlich nur, wenn sie mit dem eigenen Arbeitgeber zufrieden sind.

Die Gen Z gilt als anspruchsvolle Zielgruppe für Arbeitgebende. Wie erleben sie als Ausbildungsbetrieb das?

Ja, sie sind anspruchsvoll. Sie wollen autonomer und ortsunabhängig arbeiten, suchen nach einem Sinn in der Arbeit, sind nicht mehr so loyal, legen Wert auf Work-Life-Balance und beanspruchen mehr Freiheiten aber das ist doch spannend. Frühere Generationen haben sich einfach nicht getraut, das einzufordern. Ich habe keinerlei Bedenken, wenn die Generation Z in Zukunft unsere Firmen führt, unsere AHV zahlt, und die Wirtschaft vorantreibt ‒ sie macht vieles ganz anders, aber in keiner Weise schlechter.

Sie sind seit 30 Jahren im HR-Business – Ihre Prognose?

Ich bin überzeugt, dass sich der Fachkräftemarkt wieder stabilisieren wird. Meine Erfahrung zeigt: mehr Lohn macht selten glücklich. Intrinsische Motivation hingegen sorgt für zufriedene Mitarbeitende. Daher werden wir unseren Mitarbeitenden noch mehr Sorge tragen, möglichst flexibel auf ihre Bedürfnisse eingehen und unseren Handwerker:innen vermehrt Aufstiegschancen bieten. Wir wollen und müssen künftig investieren, um die Mitarbeitenden intern weiterzuentwickeln. Auch wenn noch einige Herausforderungen auf uns warten, ich gehe positiv in die Zukunft.


Funnel-Recruiting

Ein Recruiting-Funnel (deutsch: Rekrutierungstrichter) beschreibt alle Schritte von Anfang bis zum Ende des Rekrutierungsprozesses über soziale Medien. Mit Werbeanzeigen auf Social-Media-Plattformen führt der Recruiting-Funnel Stellensuchende durch einen einfachen Prozess zur Bewerbung. Aufgabe des Funnels ist es, geeignete Job-Kandidat:innen durch spielerische Nutzerführung und kompakte Inhalte gezielt abzuholen.

Vorteil: Bewerbungen können innerhalb weniger Minuten online erledigt und unpassende Bewerber:innen aussortiert werden.

Quelle: Meetovo


Das Interview führte Anina Rether, Redaktorin Wir Kaufleute