Prof. Dr. Jonathan Bennett ist Leiter des Instituts «Alter» der Berner Fachhochschule und teilt mit uns im Gespräch sein Wissen und seine Gedanken rund ums Älterwerden im Berufsleben.

In einer Gesellschaft ohne ältere Menschen würden wesentliche Leistungen, Beiträge und Impulse fehlen. Trotzdem werden Menschen über 50 bei der Stellensuche häufig benachteiligt. Warum?

Sie haben bei Firmen verschiedene Modelle beobachtet, mit denen ältere Arbeitnehmende bis zum ordentlichen Pensionsalter im Arbeitsprozess bleiben können. Was funktioniert für beide Seiten?

Ein allgemeingültiges Modell gibt es nicht. Dazu ist die Vielfalt der Bedürfnisse und Voraussetzungen viel zu gross. Wir haben aber festgestellt, dass Unternehmen, die sich ernsthaft mit ihren älter werdenden Belegschaften auseinandersetzen wollen, mit einer Standortbestimmung am besten fahren.

Warum?

Die Lebensläufe verändern sich stark. So haben viele Mitarbeitende bereits eine Kaderfunktion inne, wenn sie Eltern werden. Vereinbarkeitsfragen werden wichtiger. Steht ihnen alle paar Jahre eine Standortbestimmung zu, kann auf die individuellen Bedürfnisse besser eingegangen werden. Quasi analog zur Berufsberatung für Junge, nur dass dieses Modell innerhalb eines Arbeitslebens immer wieder zur Anwendung kommt. Verwandt damit ist auch die Lebensphasenorientierte Personalpolitik. Dabei wird nicht das Alter, sondern der Lebensabschnitt der Arbeitnehmenden besonders berücksichtigt, um für beide Seiten eine optimale Situation zu erzeugen.

Was heisst das konkret?

Die Vielfalt ist auch hier gross. Es stellen sich Fragen wie: Wie viel Flexibilität braucht jemand, um produktiv oder kreativ zu sein? Ist eine zwischenzeitliche Reduktion des Arbeitspensums möglich? Welche Entwicklungsschritte sind auch gegen Ende einer Laufbahn möglich und sinnvoll?

Stichwort «Bogenkarriere» — also die Reduktion bei Arbeit, Verantwortung und Lohn im letzten Berufsabschnitt vor der Pensionierung. Ein sinnvolles Zukunftsmodell für beide Seiten?

Grundsätzlich ja. Allerdings passt es nur für Arbeitnehmende, die tatsächlich eine klassische Karriere absolviert haben und eine leitende Position innehaben.

Wie kann man die Motivation von älteren Mitarbeitenden erhalten, damit sie engagiert ihre Kompetenzen in Unternehmen einbringen können?

Ein wichtiges Stichwort hier ist Wertschätzung, unabhängig vom Alter. Das hat viele konkrete Auswirkungen, die noch immer nicht selbstverständlich sind. Als Beispiel: Hat eine Mitarbeiterin wenige Jahre vor der Pensionierung noch Interesse an einer arbeitsrelevanten Weiterbildung, ist das Unternehmen selten interessiert daran, das zu unterstützen, da das «Wissen» ja in einigen Jahren für die Firma verloren ist. Unterschätzt werden dabei jedoch zwei wichtige Faktoren. Sie könnte das Erlernte innerhalb des Unternehmens weitergeben und: Ihre Motivation, sich auch in den letzten Arbeitsjahren voll zu engagieren, steigt garantiert an.

Was können ältere Mitarbeitende tun, um für ihre Arbeitgebenden attraktiv zu bleiben?

Tatsächlich ist es so, dass der Anteil der Selbstverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Laufbahn stark zugenommen hat. Und zwar durch alle Altersstufen. Die Mitarbeitenden tun also gut daran, sich regelmässig mit den eigenen Kompetenzen auseinanderzusetzen und allfällige Schwachstellen oder Lücken auszugleichen. Weiterbildungen und lebenslanges Lernen sind heutzutage unumgänglich.

Die Jahrgänge, die auf den Arbeitsmarkt kommen, sind kleiner als jene, die in Rente gehen. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte verschärft sich. Eine Chance für erfahrene Mitarbeitende?

Ja. Als Optimist gehe ich davon aus, dass durch die Verknappung des Angebots die Wertschätzung älterer Mitarbeitenden steigen wird. Wir beobachten das bereits jetzt in den Bereichen mit starkem Fachkräftemangel: Pensionierte werden zurückgeholt, Mitarbeitende gehen später in Rente oder arbeiten Teilzeit weiter, der berufliche Wiedereinstieg nach Familienzeit wird erleichtert.

Also sind Sie zuversichtlich, was die Entwicklung des Arbeitsmarktes 50+ angeht?

Insgesamt schon: Es gibt in der Arbeitswelt schon viele gute Initiativen. Was noch verbessert werden kann, ist sicher der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen allen Akteuren. Dadurch könnte in der Breite noch mehr Wirkung erzielt werden. Doch aufgrund der demografischen Entwicklung haben die Unternehmen keine Wahl: Sie müssen sich um die älteren Mitarbeitenden bemühen, damit sie nicht selbst in Bedrängnis kommen. Und wie eingangs bereits erwähnt: Ein Grossteil der Vorbehalte gegen ältere Mitarbeitende hat mehr mit unseren Altersbildern zu tun als mit der Realität.