Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG) hat die Folgen der Digitalisierung für das Vorsorgesystem in der Schweiz untersucht: Es weist einige Schwachstellen auf, die es auszumerzen gilt, damit es weiterhin funktioniert. Und für kommende Generationen attraktiv bleibt.

Während die Pandemie den Wandel hin zu digitalen Lösungen beschleunigt hat, ist sie der Hauptgrund, weshalb Reformvorschläge des Vorsorgesystems in diesem Jahr zu den Akten gelegt werden müssen. Dennoch wünschen sich nicht nur Expertinnen und Experten, sondern vor allem die breite Bevölkerung mehr Transparenz im Vorsorgesystem. Der Tenor: Alle zahlen ein, doch niemand weiss so genau, welche Rentenleistungen nach der Pensionierung tatsächlich ausbezahlt werden.

Kein Wunder: Heute ist allein das Lesen eines Vorsorgeausweises eine Herausforderung (siehe Video). Mit einer digitalen Lösung liessen sich alle Informationen zusammenführen und verständlich darstellen. Die Schwierigkeit besteht darin, die rund 1500 Pensionskassen, das Bundesamt für Sozialversicherungen als Trägerin der AHV sowie diverse Anbieter im Bereich der dritten Säule in einem System zu erfassen.

Häufige Jobwechsel, Arbeiten im Ausland, Job- und Desksharing

Die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts wird durch eine hohe Flexibilität der Arbeitnehmenden geprägt. Neue Arbeitsformen wie Crowd- und Gig-Working lassen die Grenzen zwischen Festanstellung und Selbstständigkeit verschwimmen. Auch Arbeits- und Familienleben gehen längst fliessend ineinander über. Diesen neuen Beschäftigungsformen muss das Vorsorgesystem künftig Rechnung tragen. Und das ist erst der Anfang, denn dank vermehrtem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) werden sich viele Bereiche in der Arbeitswelt nochmals grundlegend verändern oder gar wegfallen.

Demografische Veränderungen

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung älter wird und die Zahl der Erwerbstätigen schrumpft. Bei der Einführung der AHV kamen 6,5 Beitragsleistende auf eine Pensionärin/einen Pensionär. 2010 waren es 3,5 und traut man den Statistiken sind es bis 2050 nur noch zwei Beitragsleistende auf eine Rentnerin/einen Rentner. Bereits heute können die Ausgaben der AHV nur noch mit Zuschüssen durch Bund und andere Quellen gedeckt werden. Expertinnen und Experten sind sich einig, dass die AHV neue Finanzierungsquellen benötigt, damit sie auch noch in 30 Jahren in der Lage ist, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Schweiz sieht sich dennoch gerüstet für den kommenden Wandel. In Zug entsteht beispielsweise das Silicon Valley der Finanzindustrie. Die dort angesiedelten Fintech-Unternehmen schaffen neue Arbeitsplätze.

Neues Denken auf allen Ebenen

Eine stärkere Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit scheint den Nerv zu treffen, insbesondere bei jüngeren Arbeitnehmenden. Wertkonten wie in Deutschland könnten sich auch in der Schweiz durchsetzen. Sie haben das Potenzial, sich zu einer neuen, vierten Vorsorgesäule zu entwickeln. Hierbei würden Überstunden und ein Teil des Lohns als Wertguthaben gesammelt werden. Diese können dann flexibel für Sabbaticals, Weiterbildung, die Pflege von Angehörigen oder für die Frühpensionierung genutzt werden. Bisher ist das in den heutigen Überstundenmodellen in der Schweiz (noch) nicht vorgesehen, würde aber der neuen Arbeits- und Lebenswelt besser gerecht werden.


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