Unter dem Namen „KV Berufsmaturität Fokus“ haben die beiden Grossbanken UBS und CS im August einen Pilotversuch gestartet. Das Ziel: die KV Lehre neu zu strukturieren und damit noch attraktiver zu machen. Christian Wölfle, Rektor der Wirtschaftsschule KV Zürich, gibt Auskunft über die Entwicklung.

Wie ist das neue KV-Modell „BM Fokus“ angelaufen?

Ich stehe in engem Kontakt mit dem Projektleiter und Klassenlehrer Patrick Hunn. Die Klasse ist sehr gut gestartet. Sie setzt sich je zur Hälfte aus 12 Lernenden von UBS und CS zusammen. Zufall? Nein, das war eine Bedingung. Es sollte zahlenmässig keine der beiden Banken dominieren.

Wer eignet sich besonders für die BM Fokus?

Die Lernenden sollten Freude am Lernen haben, ambitioniert und stark in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch sein.

Das erste Lehrjahr wird ganz an der Berufsschule absolviert. Welche Unterschiede zur herkömmlichen Lehre gibt es noch?

Ich erwähne lieber, was identisch oder gleich geblieben ist. Wir sind sowohl mit der Bildungsverordnung (BIVO) wie auch der Berufsmaturitätsverordnung (BMV) konform. Mit einer kleinen Ausnahme: Das Fach IKA (Information, Kommunikation und Administration) wird nach dem ersten Jahr abgeschlossen. Dafür brauchte es eine Bewilligung der Schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB). Die Fächer Französisch und Englisch werden ebenfalls nach einem Jahr abgeschlossen, aber das ist gemäss den Verordnungen kein Problem. Ausserdem werden die genau gleichen Prüfungen wie im „normalen“ Lehrgang abgelegt.

Was ändert sich für die Lehrerinnen und Lehrer?

In den Fächern Englisch und Französisch beispielsweise finden pro Woche sechs statt zwei Lektionen statt. Vier dieser sechs Lektionen werden im Halbklassenunterricht geführt. Dazu werden die Fachlehrpersonen durch Sprachassistenten unterstützt, die in ihrem Unterricht auf Hören und Verstehen fokussieren, während sich die Fachlehrer mehr auf Grammatik konzentrieren. Ausserdem gibt es pro Woche einen Lernnachmittag, an diesem wird das selbstorganisierte Lernen gefördert.

Erhalten die Lernenden während des ersten Schuljahres einen Lohn analog jenem im 1. Lehrjahr?

Ja. Im Lehrvertrag ist zudem klar festgehalten, dass sie nach dem ersten Jahr in ihren Lehrbetrieb übertreten. Die Banken erwarten, dass sie die Lernenden nach diesem ersten Berufsschuljahr besser und sinnvoller beschäftigen können als Sekabgänger. Viele Routinetätigkeiten sind in den letzten Jahren weggefallen. Darauf wollten die Banken reagieren. Wir sind darüber hocherfreut und verstehen diese Neuausrichtung auch als Bekenntnis der Banken zur dualen Ausbildung.

Neu sind Sprachaufenthalte vorgesehen: In welchem Rahmen finden diese statt?

Die Sprachaufenthalte sind nicht neu, finden nun aber schon im ersten Lehrjahr statt. Im ersten Semester gehen die Lernenden nach England, im zweiten nach Frankreich, dies für jeweils zwei Wochen. Gastfamilie und Unterkunft werden durch die Wirtschaftsschule KV Zürich organisiert. Die Kosten übernehmen der Lehrbetrieb sowie die Lernenden.

Ist die BM Fokus zukunftsweisend?

Ich gehe nicht davon aus, dass in Zukunft alle KV-Lernenden zuerst ein Jahr zur Schule gehen werden. Beide Modelle haben ihre Berechtigung. Doch es ist durchaus denkbar, dass sich auch andere Branchen oder einzelne Unternehmen für die neue KV-Lehre begeistern können.


THERESE JÄGGI, Redaktorin Kaufmännischer Verband Schweiz
Informationen unter: kvz-schule.ch/kv-berufsmaturitaet-fokus